Das Arbeiten in der ambulanten Kinderintensivpflege kann sich, vom hygienischen Standpunkt aus, sehr schwierig gestalten.

Betrachten wir zunächst die Hygiene im Krankenhaus. Zum Beispiel bei einem beatmeten Patienten wird dort komplett unter sterilen Bedingungen gearbeitet. Oberflächendesinfektion, Händedesinfektion, sterile Handschuhe, sterile Materialien, erneute Oberflächendesinfektion. Im Krankenhaus herrscht jedoch ein ganz anderes Keimklima als in unserem Arbeitsumfeld und dessen sollte man sich immer bewusst sein.

Wir sind mitten im Familienleben, bei den Kindern zuhause, im Kinderzimmer, zwischen Haustieren und dem normalen Alltag, zwischen frisch gewaschener Wäsche und dem Abendessen der Familie.

Überall begegnen uns Keime, doch nicht alle Keime sind pathogen (krankheitserregend). Das Kind lebt inmitten dieser bekannten Keime und wird doch nicht krank.

Zahlreiche Studien besagen sogar, dass der frühzeitige Kontakt mit diversen Keimen (z.B. durch Kontakt mit Haustieren oder durch das altmodische Spielen im Dreck) das eigene Immunsystem stärkt und den Körper so vor Krankheiten und Allergien beschützt.

Leider ist es heute modern geworden überall (nicht nur bei pflegebedürftigen Kindern) Hygiene Artikel zu benutzen. Die Großeltern sollen sich die Hände mit Desinfektionsgel (heutzutage in jeder Drogerie erhältlich) einreiben, bevor sie das Baby anfassen. Das Kind auf dem Spielplatz bekommt die Hände mit einem desinfizierenden Tuch abgewischt. Der Hochstuhl wird mit Sagrotan eingesprüht und die Kinderwäsche natürlich mit einem Hygienespüler gewaschen. Keime jeder Art haben keine Chance mehr zu überleben, leider hat dadurch aber auch das Immunsystem der Kinder keine Chance mehr sich gegen Bakterien und Viren zu schützen und die Darmflora keine Chance eine funktionierende Bakterienumgebung aufzubauen.

Kommen wir nun zurück auf die Keimflora in unseren Versorgungen. Hier haben Eltern und Pflegekräfte nicht nur die Mittel aus der Drogerie oder dem Supermarkt, hier stehen Händedesinfektionsmittel, Oberflächendesinfektionsmittel und sterile Handschuhe zur Verfügung, die eine beinahe keimfreie Umgebung gewährleisten können. Und diese werden fleißig benutzt, man kennt es ja aus der Klinik nicht anders.

Dass man seinem Klienten beziehungsweise seinem Kind damit schadet, ist nicht bekannt. Die Werbung und die Gesellschaft vermitteln ja ein ganz anderes Bild. In meiner Funktion als Hygienebeauftragte versuche ich in Hygienevisiten und -schulungen immer wieder Aufklärung zu betreiben. Die häufigste Frage, die ich dort stelle, lautet: „Wieso wird der Tisch/der Stuhl/ der Türgriff/das Bett (hier kann man jeden beliebigen Begriff einsetzen) desinfiziert, wenn man es doch eine Sekunde später wieder kontaminiert durch Berühren/ Gegenstände etc.?“ Den meisten fällt daraufhin der Überfluss an Desinfektion auf und sie sehen, dass manchmal eine einfache Reinigung vollkommen ausreicht.

Viel wichtiger ist, dass man auf Sauberkeit und die richtige Händedesinfektion achtet. Damit können pathogene Keime keinen Fuss in die Tür setzen und unseren Klienten und uns geht es gut.

Unser hygienisches Arbeiten in der ambulanten Kinderintensivpflege: hygienisch, aber nicht steril!

Bei Fragen könnt Ihr mich gerne ansprechen.

Rachel Weidner

Hygienebeauftragte des ZbF