Lieber Leser,

Dieses Jahr haben wir das Thema Intensivpflegekind und Flugreisen umfassend getestet und wollen uns an dieser wertvollen und durchweg positiven Erfahrung teilhaben lassen.

Gemäss der EU Verordnung (EG) Nr. 1107/2006: Beförderung von Personen mit Behinderung oder eingeschränkter Mobilität haben behinderte Menschen ein Recht darauf von Fluggesellschaften ohne zusätzliche Kosten transportiert zu werden. „Damit behinderte Menschen und Personen mit eingeschränkter Mobilität vergleichbare Flugreisemöglichkeiten wie andere Bürger haben, sollte ihnen entsprechend ihren besonderen Bedürfnissen auf Flughäfen und an Bord von Luftfahrzeugen unter Einsatz des erforderlichen Personals und der notwendigen Ausstattung Hilfe gewährt werden. Im Interesse der sozialen Integration sollten die Betroffenen diese Hilfe ohne zusätzliche Kosten erhalten.“

Aufgrund dessen haben wir die Erfahrung machen dürfen, das es tatsächlich recht einfach ist, innerhalb von Europa (weiter haben wir noch nicht ausprobiert) mit dem Flugzeug zu reisen, insofern man nach der Flugbuchung, die benötigten Zusatzleistungen bei der Fluggesellschaft anmeldet. Somit ist die Reise an sich weniger problematisch, als den passenden Transport vor Ort zu finden. Aber auch hier gibt es Lösungen, da er öffentliche Nahverkehr immer besser auf die Belange behinderter Menschen eingestellt ist, was natürlich nicht von der Aufgabe entbindet, sich vorab über die Möglichkeiten am Reiseziel ausführlich zu erkundigen.

So und nun zum eigentlichen Thema der Organisation des Fluges:
Zur Vorbereitung empfiehlt es sich, vorab alle Daten für Rollstühle und Geräte mit Namen, Funktion, Gewicht und Massen zu sammeln, damit man diese in einer Email oder per Telefon (näheres weiter unten) bei der Fluggesellschaft angeben kann. Nichts ist lästiger als durch die Warteschleife endlich beim passenden Ansprechpartner angelangt zu sein, nur um dann festzustellen, dass man nicht alle Fragen beantworten kann. Anbei ein Beispiel meiner Notizen zu dem Thema:

Rollstuhl
Sunrise Modell Jive M wiegt 150 kg, hat zwei Gelakkus mit jeweils 70 A und die Masse 63 cm breit, 96 cm lang und 80 cm hoch
Metallkiste 1:
40X60X50CM und 23 kg schwer, Inhalt:
Beatmungsgerät (Resmed Elysee),
Luftbefeuchter (Humicare C200), usw.

Besondere Hinweise für den Elektro-Rollstuhl:

Bei Anmeldungen von Rollstühlen über 70kg erfolgt die Verladung per Lifter. Dabei liegt die maximal verladbare Höhe bei 81cm (kommt auf den Flugzeugtyp an, manchmal geht auch höher, sollte man sich aber nicht drauf verlassen). Folglich muss die Begleitperson wissen, wie man die Rückenlehne oder das Kopfteil abmontiert bzw. umklappen kann, damit der Rollstuhl unter die geforderte Maximalhöhe kommt. Hier empfiehlt sich eine Trockenübung zu Hause, damit man am Flughafen nicht gleich in Panik gerät, wenn alles nicht auf Anhieb funktioniert. Unsere neue Sitzschale hat daher eine zweigeteilte Rückenlehne, die zu Hause mehr Kopffreiheit gewährleistet und bei Flügen sehr praktisch ist, weil wir so auf die erforderliche Höhe kommen (siehe Foto).

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Bitte beim Einchecken nicht vergessen, dass man dann die Kopfstütze bzw. die Rückenlehne einzeln einchecken muss, falls die nicht noch in irgendeinen Koffer passt. Elektrische Rollstühle werden nur mit Gelakkus mitgenommen, die vor dem Flug disconnectiert werden müssen. Eine Fluggesellschaft wollen auch die Ampere die Batterien haben wissen, manchmal auch in Kilowatt (angeblich sind nur 160 Kw erlaubt). Es ist sehr empfehlenswert vorab einmal auszuprobieren, wie man die Batterien disconnectieren kann, da die Begleitperson dies selber vor dem Flug am Gate machen muss. Ich habe mir das von unserem Sanitätshaus zeigen lassen und seit dem immer den passenden Imbus in unserer Reisetasche. Aber Achtung: Man bekommt nicht jedes Werkzeug durch die Sicherheitskontrolle, so dass man evtl. Schrauben vor dem Einchecken lösen sollte und das Werkzeug ins einzucheckende Reisegepäck stecken muss. Ausserdem sollte man vorab zu Hause prüfen, dass man die Schrauben auch mit der Hand losbekommt, einmal ging das nur unter Hinzunahme eines Hammers, welchen man am Flughafen unter Zeitdruck sicherlich nur schwer finden wird.

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Hinweise zum Medizinisches Equipment und Versorgungsmaterial:

Jedes Gerät mit Namen, Funktion, Gewicht und Massen sollte angemeldet werden. Dabei ist zu unterscheiden, was aufgegeben werden soll und was mit an Bord muss. Wir haben uns für den Zweck zwei Metallkisten der Firma Zarges (Foto oben) angeschafft, da diese verschließbar und stabil sind, was den Transport sicherstellen soll. Eine Kiste darf 23 kg wiegen und bei uns wurden beide Kisten bisher immer kostenlos mit genommen. Die Kisten müssen am Sperrgepäckschalter aufgegeben werden. Eine unsere Kisten hat auch Rollen, die montieren wir bei Flügen aber immer ab, da die Rollen zusätzlich 7 kg wiegen. Auch die Geräte, die man mit an Bord nehmen muss, wie z.B. Beatmungs- oder Absauggeräte, müssen angegeben werden. Ryanair macht es hier etwas kompliziert, da man hierfür auch ein Extraformular zugemailt bekommt, was als Legitimation für das zusätzliche Handgepäck benötigt wird. Für den Transport von Sauerstoff gelten besondere Regeln, die wir zum Glück noch nicht ausprobieren mussten. Ich würde hier empfehlen am Reiseziel einen entsprechenden
Bedarf zu organisieren.

Sitzplatzreservierung:

Wenn man schon mit der Servicehotline der Fluggesellschaft spricht, sollte man auch gleich den Sitzplatz klären. Behinderte Menschen müssen aufgrund der Fluchtwege auf einem Fensterplatz sitzen.
Bei Hilfebedürftigkeit hat man Anspruch darauf, dass die Begleitperson auf dem Nebenplatz sitzt. Gleichzeitig versuchen die Airlines immer mehr Sitzplatzreservierungen zu verkaufen, so dass wir
einmal mit 6 Personen in der Reisegruppe an 6 Stellen im Flugzeug saßen, weil es beim Einchecken unmöglich war zwei Sitzplätze nebeneinander zu bekommen. Letzendlich mussten im Flugzeug Leute umgesetzt werden. Auch wird gerne im Vorfeld nur ein Sitzplatz für die behinderte Person fest vergeben. Hier sollte man direkt auf die notwendige Begleitperson verweisen.

Der Reisetag:

Vor der Abreise sollte man beachten, das Sie bei Ryanair vorher noch online eingecheckt haben sollten, weil sonst eine Gebühr von 45 Euro fällig wird.

Für den eigentlichen Reisetag sollten Sie berücksichtigen, dass Sie am Flughafen etwas mehr Zeit als andere benötigen werden. Daher empfehle ich 2 Stunden vor Abflug mit allen Sachen am Flughafen einzutreffen, um für evtl. auftretende Probleme mehr Zeit zu haben. Auf einer unserer Reisen hatte sich z.B. die elektrische Rampe im Auto mit einem Koffer verkeilt und wir haben 20 Minuten gebraucht, den Rollstuhl aus dem Auto zu bekommen. Auch hier empfiehlt sich Planung, damit Sie vor der Abreise nicht feststellen müssen, dass nicht alles Gepäck ins Auto passt. Gleiche Problematik gilt natürlich bei der Weiterreise am Reiseziel. Während in Düsseldorf das Einchecken am normalen Check-In Schalter gemacht werden muss, haben viele Flughäfen für solche Fälle Sonderschalter, da nicht jeder Mitarbeiter sich mit dem Verladen von Rollstühlen und den entsprechenden Fragen auskennt. Gleichzeitig sollten Sie direkt nach der speziellen Assistenz fragen, da man auf diese auch mal gerne 20 Minuten warten darf.

Für die Aufgabe des Rollstuhls ist unbedingt zu beachten, das jedes Teil des Rollstuhls (also zum Beispiel auch die abzumontierende Rückenlehne) das einzeln aufgegeben werden muss, ein entsprechendes Label erhält. Für die Abfertigung hat man unserer Erfahrung nach zwei Möglichkeiten diesen aufzugeben. Direkt nach dem Einchecken am Sondergepäckschalter. Dann wird man von der speziellen Assistenz am Schalter abgeholt und mit ein Rollstuhl des Flughafens durch die Security bis zum Flugzeug gebracht. Das hat den Vorteil, dass man etwas entspannter, die Rückenlehne abmontieren und die Batterien disconnectieren kann. Wir bevorzugen aber die Alternative mit dem Rollstuhl bis vor das Flugzeug zu fahren, weil wir dann unseren Sohn direkt vom Rollstuhl ins Flugzeug heben können. Das hat weiterhin den Vorteil, dass das Flugzeugpersonal den Rollstuhl schon mal gesehen hat und somit am Ankunftsort versuchen kann, dass der Rollstuhl auch direkt am Flugzeug zurückgegeben wird. Das hat aber auch den Nachteil, dass man in kürzester Zeit meist im Flugsteig den Rollstuhl verladefähig machen muss (Batterie und Rückenlehne), während sich einsteigene Passagiere vorbeidrängen. Tip: Nehmt Euch eine kleine Tüte, für die Schrauben mit.

Interessant ist auch die E-Rolli Verladung ins oder aus dem Flugzeug, was wir in hier auch dokumentieren wollen. Grundsätzlich besteht das Problem den Rollstuhl auf bzw. vom Gepäckband ins Flugzeug zu bekommen. Meist wird dieses so gekippt, dass der Rollstuhl auf einen Gepäckwagen verschoben werden kann. Aber wie geht es davon runter. Am erschreckendsten war unser Erlebnis mit dem Gabelstapler, wo ich schon dachte, jetzt ist er kaputt. Das habe ich dem Flughafenpersonal auch beigebracht, so dass auf dem Rückflug der Hubwagen mit seiner Hebebühne genutzt wurde.

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Was den Transport ins Flugzeug angeht, so können wir unseren Sohn noch selber an Bord tragen. Für alle die das nicht können, gibt es einen Sonderrollstuhl mit dem man bis zu seiner Sitzreihe transportiert werden kann. Problematisch ist dann eher der Transfer auf den Sitz, weil behinderte Menschen wie bereits erwähnt auf einem Fensterplatz sitzen müssen. Hier ist es meist etwas schwierig sich über zwei Sitze hinweg auf den Fensterplatz zu manövrieren. Sinnvoll ist es daher, das man vorab schon mal geprüft hat, das die Armlehnen hochgeklappt sind.

Über den Aufenthalt an Bord können wir nicht viel berichten, da wir bisher nur in Europa unterwegs waren und z.B. das Thema Katheterisieren an Bord bisher dadurch umgangen sind, dass wir vorher noch die Flughafentoilette benutzt haben. Glücklicherweise ist unser Sohn nicht dauernd auf sein Beatmungsgerät angewiesen, so dass wir die Flüge prinzipiell ohne absolvieren könnten. Erwähnenswert ist aber noch, das Ryanair vorab die Benutzung des Beatmungsgerätes ausgeschlossen hatte, während wir dieses bei den anderen Fluggesellschaften ohne Probleme benutzen konnten.

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Die Ankunft gestaltet sich mehr oder weniger in umgekehrter Reihenfolge, zuerst verlassen alle anderen Passagiere das Flugzeug und wenn Sie die Stewardess vorher nochmal gefragt haben, wird evtl. gleichzeitig Ihr Rollstuhl entladen und Sie bekommen Ihn direkt am Flugzeug zurück. Hier sind Aussenpositionen sehr hilfreich, weil man dann mittels eines Hubwagens ins Flugzeug gebracht wird. Gleicher wird auch oft dazu benutzt den Rollstuhl vom Gepäckband aus dem Flugzeug zu heben (siehe Fotos). Wenn man den Rolli nicht direkt zurück bekommt, wird man von der speziellen Assistenz vor Ort erst zum Gepäckband und später zum Sondergepäckschalter gebracht, um dort den Rollstuhl in Empfang zu nehmen. Das hat meistens den Nachteil, dass man ziemlich lange warten muss, besonders wenn man abends in Düsseldorf landet. Nun noch schnell wieder die Rückenlehne montiert und die Batterie angeschlossen und schon kann das Urlaubsvergnügen los gehen, vorausgesetzt man hat sich um den Transport vor Ort gekümmert.

Hier kommen öffentliche Taxis, Busse oder die Metro in Frage, wobei man bei letzterer sich erkundigen sollte, ob in allen Stationen ein Aufzug etc. zur Verfügung steht. Während das in Barcelona oder Zürich meist der Fall ist, gilt das für London oder Paris überhaupt nicht. Dafür haben fast alle Busse in den Großstädten eingebaute Rampen, was in London zwar etwas länger dauert, aber super funktioniert. Auch Rollstuhltaxis sind meist zu finden, z.B. http://www.adaptaxibarna.com/ für Barcelona oder www.taximarbella24h.com für Malaga/Marbella. Cool ist auch eine Fahrt in einem alten englischen Taxi durch London, da diese eine eingebaute Rampe haben.

So das wars. Ich hoffe, ich habe Euch Lust auf die nächste Reise gemacht.